Einführung Grenzen in und um Wittgenstein

Grenzsteine rund um Wittgenstein
eine Bestandsaufnahme

von Bernd Stremmel und Bernd Homrighausen, unter Mitarbeit von Jürgen Daum und Stefan Blöcher (Hessische Grenze)

Grenzsteine bedeuten Zeugen der Abgrenzungen von Territorien zweier benachbarter Grundherrschaften, in unserem Fall sind es die Grenzen der Grafschaft Wittgenstein, ab 1603 die Grafschaften Sayn-Wittgenstein-Wittgenstein (Sayn- Wittgenstein-Hohenstein) und Sayn-Wittgenstein-Berleburg, mit seinen Nachbarn, dies sind (im Uhrzeigersinn ausgehend im Westen):
vor 1174 Kurfürstentum Köln (Kurköln) in Form des Herzogtums Westfalen
Vögte von Grafschaft

ab 1816 Königreich Preußen
Hessen:
ab 1247 Landgrafschaft Hessen
ab 1567 Landgrafschaft Hessen-Darmstadt
ab 1806 Großherzogtum Hessen
ab 1866 Königreich Preußen
ab 1946 Bundesland Hessen
Nassau:
ab 1247 Grafschaft Hessen, ottonische Linie
ab 1516 Grafschaft Nassau-Dillenburg
ab 1623 Fürstentum Nassau-Dillenburg
ab 1739 Fürstentum Oranien-Nassau
ab 1806 Großherzogtum Berg
ab 1815 Herzogtum Nassau
ab 1866 Königreich Preußen

Die folgenden Ausführungen fußen auf der Dissertation von Günther Wrede: Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, samt Atlas, Marburg 1927. Es handelt sich um eine vereinfachte Darstellung der meist ziemlich verworrenen Begebenheiten der Grenzirritationen.
Die älteste erhaltene Grenzbeschreibung stammt vom Jägermeister Conrad Jeger aus dem Jahre 1484. Diese muss als eine Momentaufnahme gesehen werden, die nur zeitweise Bestand hatte, da sie in einigen Abschnitten von Nachbarn immer wieder in Frage gestellt wurde. Momentane Grenzeinigungen hatten jedoch keinen dauernden Bestand und eine endgültige Grenzziehung erfolgte erst nach Jahrzehnten oder sogar nach Jahrhunderten.
Zunächst sei hier der Kölnische Streit genannt: In einer kölnischen Schneide (Schnade) in 1460 wird dort die Grenze zur Grafschaft Wittgenstein in Übereinstimmung von C. Jeger genannt. Wenige Jahre später kam es an der Nordwestgrenze zu Streitigkeiten zwischen Kurköln und Wittgenstein im Gebiet zwischen den Berggipfeln Wildborn (Dreiherrnstein) im Süden sowie dem nördlich gelegenen Wildhöfer. Wittgenstein zog den kürzeren, als Folge davon wurde die Grenze nach Osten verschoben. Erst 1694 kam es zu der bis heute geltenden Einigung.
Winterberger Streit
Hier ging es um die Nutzungsrechte Winterberger Bauern auf dem von Wittgenstein beanspruchten Gebiet. 1783 wurde der Streit zwischen Wittgenstein und Kurköln beigelegt und die 1713 neu gegründeten Dörfer Hoheleye, Langewiese, Neuastenberg und Mollseifen als Wittgensteiner Territorium bestätigt. Die Versteinung der Grenze soll 1805 erfolgt sein.
Mit der kommunalen Neugliederung in NRW, die zum 01.01.1975 in Kraft trat, wurden jedoch diese vier Dörfer aus Wittgenstein herausgelöst und den neugebildeten Hochsauerlandkreis zugeordnet. Seitdem sind die alten Grenzsteine in diesem Bereich nicht mehr auffindbar.
Wunderthäuser Streit
Nach dem Aussterben des Mannesstamms der Ritter von Diedenshausen ging das Erbe durch Heirat der Töchter an die Geschlechter von Viermünden, Dersch, Grafschaft und Winter über. Jeger erwähnt die Gerechtigkeit der Ritter in Wunderthausen und Diedenshausen, die Oberhoheit bleibt jedoch bei den Grafen von Wittgenstein. Ausdrücklich benennt er ihr Recht auf die Hochjagd, in damaliger Zeit ein Zeichen für den Besitz eines Territoriums. Nach einer Wüstzeit vom 15. zum 16. Jahrhundert begannen die Familien Dersch und Winter die Dörfer neu zu besiedeln. Dem trat Gräfin Margarete entgegen, indem sie die neuen Häuser niederreißen ließ. In einem von Dersch und Winter angestrengten Prozess vor dem hessischen Hofgericht im Jahre 1531 wird die Wittgensteiner Auffassung bestätigt. Als Folge davon verkaufen Dersch und Winter, später auch Jost von Grafschaft ihre Besitzungen in Diedenshausen und Wunderthausen an Wittgenstein. Die Grenze wird später durch einen Aufwurf fixiert.
Hallenberger Streit
Der Grenzwald zwischen Wunderthausen und Hallenberg war ca. 250 Jahre lang ein Streitobjekt zwischen den Wittgensteiner Grafen und der kurkölnischen Stadt Hallenberg. Von Hallenberger Seite ging es um Holznutzung, Hude, Schweinemast, Fischerei und die niedere Jagd in diesem Waldgebiet, dem „Streitwald“. Ein Vergleich des Grafen Ludwig des Älteren und der Stadt Hallenberg (1596) drängte deren Vorstellung zurück. Die Nutzungsrechte am Wald muss sich Wunderthausen mit Hallenberg teilen, die gesamte Jagd bleibt in Wittgensteiner Hand.
Im 18. Jahrhundert lebt der Zwist nun, mit anderen Argumenten und einer stärkeren Beteiligung Kurkölns, wieder auf. Er überdauerte sogar die Selbständigkeit Wittgensteins in den Napoleonischen Wirrungen, mit der Übernahme des kölnischen Herzogtums Westfalen sowie der Fürstentümer Wittgensteins durch das neugebildete Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Die Frage der strittigen Landesgrenze wurde somit obsolet und in einem Vertrag wird der „Streitwald“ zu gleichen Hälften zwischen Hallenberg und Wunderthausen aufgeteilt und eine Grenze gezogen (1810). Mit dem Anschluss an das Königreich Preußen 1816 wird sie zur Grenze zwischen den Kreisen Wittgenstein und Meschede.
Vogtei Elsoff
Im Groben handelt es sich um die Dörfer Diedenshausen, Alertshausen und Elsoff am Elsoff-Bach. Das Gebiet war jahrelanger Streit zwischen Wittgenstein und der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, beide Parteien forderten von den Lehnsbauern unterschiedliche Abgaben, die die jeweilige Herrschaft festlegte, z. B. zum Landgericht Battenberg außerhalb der (Wittgensteiner) Vogtei, dem aber die Vogtei zugeordnet war. C. Jegers Grenze wurde in einem Vertrag von 1532 nach Westen verlegt, der Elsoff-Bach wird als Landesgrenze festgelegt. Damit kehrte jedoch keine endgültige Ruhe ein. Nach dem 30-jährigen Krieg (1618-1648) wurden die Verhältnisse 1665 in einem Vertrag neu geregelt. Die zeitweilige Elsoff-Bach-Grenze wurde da bei Alertshausen nach Osten verschoben, ebenso, mit einem noch größeren Areal, bei Elsoff. Auf dem Forstatlas der Reichsgrafschaft Wittgenstein-Wittgenstein aus dem Jahre 1739 sind diese Abweichungen verzeichnet. Auch sind die Grenzsteine Nr. 30 bis 62 deutlich sichtbar.
Mit der Übernahme der beiden Wittgensteiner – mittlerweile – Fürstentümer durch das Königreich Preußen nach dem Wiener Kongress 1814/15 wurde die Grenze 1840 neu überwiegend mit Basaltsteinen versteint und bildet noch heute die Landesgrenze zwischen NRW und Hessen.
Streit mit Nassau (Jürgen Daum)
1484 wurde die Grenze zwischen den Grafschaften Nassau und Wittgenstein entlang der Wasserscheide vom „Dreibeinigen Stuhl“ (Mandelner Eck) oberhalb von Mandeln – Richtung Siegquelle über Jagdberg und Lahnhof entlang der Eisenstraße festgelegt. Vermutlich durch die Hegemonie der starken Nassauer Grafen, die, wie weiter nördlich im Grenzverlauf schon geschehen, die überregional bedeutende Eisenstraße vollständig kontrollieren wollten, legte man bis zum Jahre 1515 die Grenze neu fest. Diese Grenzlinie verlief nun ca. 1 km östlich der Kreuzung am Jagdberg vom bisherigen Grenzverlauf ausgehend in Richtung Nordwesten knapp westlich an Heiligenborn vorbei und entspricht der Kreisgrenze von Siegen und Wittgenstein vor dem Zusammenschluss vom 01.01.1975 und der heutigen Gemeindegrenze zwischen Netphen (Gemarkung Hainchen) und Bad Laasphe (Gemarkung Heiligenborn).

Grenze zwischen Wittgenstein und Breidenbacher Grund (Stefan Blöcher und Bernd Stremmel)

Die älteste Steinsetzung an dieser Grenze stammt aus 1579. Der Grenzvertrag wurde ein Jahr zuvor am 19. April 1578 zwischen den Landgrafen von Wittgenstein und Hessen und den Gerichtsjunkern derer von Breidenbach geschlossen (Hess. Staatsarchiv Marburg). Er enthielt neben einer Beschreibung auch die Grenzsteinabstände im Schrittmaß. Die 178 Steine aus dieser Zeit sind fortlaufend nummeriert und tragen die Initialen W und BG sowie die Jahreszahl 1579.
In 1723 gab es einen erneuten Grenzvertrag, die Versteinung erfolgte 1729. Diese Steine erkennt man an der eingeschlagenen Jahreszahl sowie an den Initialen W und HD für Hessen-Darmstadt. Die fortlaufenden Nummern wurden von den inzwischen verschwundenen Vorgängersteinen übertragen. Die Sandsteine stammen aus dem Steinbruch Goßfelden im Lahntal.
Eine letzte große Versteinung der Grenze erfolgte nach dem Wiener Kongress und der anschließenden Neuordnung, vor allem in Deutschland. Die mittlerweile gefürsteten Wittgensteiner Grafschaften verloren ihre Selbständigkeit und wurden dem Königreich Preußen eingegliedert. Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt war in ein Großherzogtum umgewandelt worden. Im Jahre 1834 wurden meist sechseckigen Basaltsteine aufgestellt, die mit den Initialen KP (Königreich Preußen) und GH (Großherzogtum Hessen) versehen wurden. Die Aufstellung der Basaltsteine erfolgte jedoch nicht konsequent fortlaufend, vermutlich nur dann, wenn die alten Steine zu brüchig geworden waren oder inzwischen fehlten. Auf diesem Grenzabschnitt begegnet man also abwechselnd Steine aus 1579, 1729, 1734 sowie 1834. Von den Steinen aus 1579 sind noch 8 Stück erhalten. Sichtbar sind noch ca. 160 Steine, wenn auch viele nicht mehr in allerbestem Zustand.
Heute bedeutet diese Grenzlinie noch immer die Grenze zwischen den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hessen.

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Eine für beide Herrschaften einvernehmliche Grenze wurde meistens nach diesem Schema vollzogen:
• man bildete eine gemeinsame Grenzkommission aus Beamten der jeweiligen Herrschaften
• die vorgesehene Grenze wurde von der Kommission abgegangen und markante Bäume (mit Markierungen versehen), Felsen, Flüsse etc. als Grenzpunkte festgelegt, darüber wurde ein Protokoll gefertigt
• später setzte man große Grenzsteine, die einen genaueren, gut einsehbaren Grenzverlauf festlegten. Die Grenzsteine wurden fortlaufend nummeriert und fanden Aufnahme in dem Grenzprotokoll.
• außerdem wurde auf der Grenzlinie ein Grenzgraben aufgeworfen, soweit es der Boden zuließ. Solche Grenzgräben haben an vielen Stellen die Jahrhunderte überdauert. Darüber hinaus wurden auch sogenannte Landhegen (Dornenhecken) angelegt die das Gebiet schützen sollten, zum Beispiel rund um das Siegerland. Der Durchgang geschah bei extra gesicherten Schlägen.

An einigen wenigen Punkten trafen nicht zwei, sondern drei Herrschaften zusammen. Solche Stellen nannte man Dreibeinige Stühle. Der bekannteste von ihnen steht östlich von Richstein auf der Eder-Lahn-Schwelle Richtung Sackpfeife. Ein weiterer hat sogar dem Berg Wildborn im Westen Wittgensteins seinen Namen entrissen und wird anlassgemäß Dreiherrnstein genannt. Weitere Dreibeinige Stühle/Dreiherrnsteine befinden sich an der Landstraße zwischen Wunderthausen und Hallenberg auf der Höhe rechts der Straße; im südlichen Teil bei Mandeln (Mandelner Eck), sowie nordwestlich des Weilers Sohl bei Fischelbach.

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